Search
Close this search box.
Search
Close this search box.

Kurt Tucholsky Gedicht Augen in der Großstadt

Kurt Tucholsky Gedicht “Augen in der Großstadt”:


Kurt Tucholsky Gedicht Augen in der Großstadt 

 

Augen in der Großstadt

 

Wenn du zur Arbeit gehst

am frühen Morgen,

wenn du am Bahnhof stehst

Mit deinen Sorgen:

da zeigt die Stadt

dir asphaltglatt

im Menschentrichter

Millionen Gesichter:

Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,

die Braue, Pupillen, die Lider –

Was war das? vielleicht dein Lebensglück …

vorbei, verweht, nie wieder.

 

Du gehst dein Leben lang

auf tausend Straßen;

du siehst auf deinem Gang,

die dich vergaßen.

Ein Auge winkt,

die Seele klingt;

du hasts gefunden,

nur für Sekunden …

Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,

die Braue, Pupillen, die Lider;

Was war das? kein Mensch dreht die Zeit zurück …

vorbei, verweht, nie wieder.

 

Du mußt auf deinem Gang

durch Städte wandern;

siehst einen Pulsschlag lang

den fremden Andern.

Es kann ein Feind sein,

es kann ein Freund sein,

es kann im Kampfe dein

Genosse sein.

Es sieht hinüber

Und zieht vorüber …

Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,

die Braue, Pupillen, die Lider.

Was war das?

Von der großen Menschheit ein Stück!

Vorbei, verweht, nie wieder.

 

Kurt Tucholsky, 1932