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Borchert Gedicht Am Fenster eines Wirtshauses

Borchert Gedicht: “Am Fenster eines Wirtshauses”


 

 

Am Fenster eines Wirtshauses am Steinhuderer Meer

Auf dem Nachhausewege 1945

 

Die Apfelblüten tun sich langsam zu

beim Abendvers der süßen Vogelkehle.

Die Frösche sammeln sich am Fuß des Stegs.

Die Biene summt den Tag zur Ruh –

nur meine Seele

ist noch unterwegs.

 

Die Straße sehnt sich nach der nahen Stadt,

wo in der Nacht das Leben weiterglimmt,

weil hier noch Herzen schlagen.

Wer jetzt noch kein Zuhause hat,

wenn ihn die Nacht gefangen nimmt,

der muss noch lange fragen:

Warum die Blumen leidlos sind –

warum die Vögel niemals weinen –

und ob der Mond wohl auch so müde ist –

 

Und dann erbarmt sich leis ein Wind des einen,

bis er –im Schlaf– die Welt vergisst.

 

Wolfgang Borchert: Das Gesamtwerk. Rowohlt Verlag, 1949